Naturverbindung

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Viele nichtindustrialisierte Kulturen auf der ganzen Welt verwenden ein gemeinsames Hilfsmittel, um sich im Leben zurecht zu finden:
die Himmelsrichtungen und den Lauf der Sonne.
Der Ablauf einer pädagogischen Einheit in der Freien Naturschule Barnim orientiert sich ebenfalls am „natürlichen Kreislauf“ und bezieht sich auf die Himmelsrichtungen, denen nicht nur Tages-, Jahreszeiten und Lebensphasen zugeordnet werden, sondern auch bestimmte Qualitäten und Energien. „Der Natürliche Kreislauf des Lernens“ gleicht einem Leitfaden, mit dessen Hilfe man den dynamischen Fluss einer Lehreinheit oder einer lehrreichen Erfahrung planen kann, „den Flow“ zu spüren und die Aktionen des Tages der jeweiligen Situation und Energie anzupassen.

Ein Tag in der Natur

Kinder sind geborene Naturgestalter –
sobald sie draußen sind, fangen sie an zu matschen, zu wühlen, zu graben und zu sammeln. Genau jenes natürliche Interesse, die Freude am eigenen Tun und das kindliche Forschen greifen die PädagogInnen der Freien Naturschule Barnim in ihrem gemeinsamen Schulalltag auf.
Die Natur stellt eine Fülle von Materialien zum kreativen Schaffen zur Verfügung – im Gegensatz zu klassischen Schulmaterialien ist die Aufgabenstellung, das Vorgehen und das Ergebnis meist offen. Inspiration und Kreativität entsteht auf einfache Weise durch den spielerischen Zugang und durch die natürliche Ästhetik des Materials.

Ankommen

Wir beginnen den Tag indem wir uns im Kreis zusammenfinden. Jeder kann kurz ankommen und alle begrüßen. Nach diesem lockeren Start gibt es einen klaren Beginn, das kann zum Beispiel ein Lied sein. Der Morgenkreis eröffnet jedem Kind und Erwachsenen die Möglichkeit das anzusprechen, was ihn gerade bewegt. Dies ist immer wieder für Erwachsene wie Kinder eine tägliche Übung sich authentisch auszudrücken und den anderen zuzuhören. 

Inspirieren und Begeistern

In der Regel warten die SchülerInnen dann schon gespannt auf die Geschichte, die nun folgen wird. Diese Geschichte – zum Beispiel eine kleine Geschichte über die diebische Elster, welche Dinge sammelt, die sie interessant findet und sie dann in ihr großes Kugelnest einbaut – lädt alle Beteiligten ein, ihrer Fantasie zu folgen und diese wahrzunehmen. Am Ende der Erzählung gibt es die Einladung zu einem gemeinschaftlichen Elsterngeschrei und „alle fliegen als Elstern los in den Wald, um etwas Schönes zu finden“. Und wer gerade heute nicht Elster sein mag, findet allein oder mit Unterstützung seinen eigenen Weg, was er/sie jetzt machen möchte und wie das mit der Gruppe vereinbar ist.

Aktivieren

Während des Streifzuges durch den Wald wandern von ganz allein schöne Dinge in die Hosentaschen und Beutel der SchülerInnen: Blätter, Äste, Früchte, Erde oder Steine. In einem Kreis wird dieses Material gemeinsam betrachtet und untersucht. Schnell werden Forscherfragen aufkommen:

  • Was ist das für eine Frucht?
  • Wie fühlt sich das Material an?
  • Welche Farben tauchen auf?
  • Wie riecht das Material?
  • Welche Fundstücke lassen sich miteinander verbinden und kombinieren?
  • Wie heißt der Baum?
  • Wie ist das Material beschaffen?

Konzentrieren

Dies führt zu Gesprächen untereinander und vielleicht auch zu weiterführenden Fragen, die mitgenommen werden aus dem Tag.

Pause machen, Ausruhen

Nach so vielen Eindrücken ist es Zeit für eine Pause an einem schönen Platz..
Diese Pause ist wichtig, um Ruhe einkehren zu lassen und das Geschehene zu verarbeiten. 

Zusammenkommen und teilen

Nach der Pause gibt es ein Spielangebot, um wieder gemeinsam aktiv zu sein.

Reflektieren

Nach dem Spiel folgen Geschichten von berühmten Landartkünstlern in Europa oder den Nasca mit ihren riesigen Tieren in der Peruanischen Wüste. Die SchülerInnen werden eingeladen mit den Fundstücken ähnlich schöne Dinge zu „zaubern“. Aus den Fundstücken entstehen kleine persönliche Kunstwerke – dies können kunstvoll angeordnete Blätterobjekte sein, fliegende Astskulpturen, moosige Ungeheuer oder ausufernde Steinkreise sein. Die PädagogInnen begleiten die Arbeitsprozesse, sind Teil des Geschehens und gehen auf die Fragen, Bedürfnisse und Anliegen der Kinder ein – sie geben aber keine Lösungen vor, stellen keine Erwartungen an das Produkt, loben und bewerten nicht am Ende.
Alle Kunstwerke werden gemeinsam angesehen aber nicht bewertet. Es gibt kein richtig und falsch,wohl aber subjektive Meinungsäußerungen, was gefällt und was einen nicht anspricht.
Im Anschluss kann es eine Vernissage der Kunstwerke geben, in dem die Kinder ihren Arbeitsprozess reflektieren und teilen können. Da die Kunstwerke am Ende nicht in die Hosentasche passen, können die Erinnerungen, die damit verbundenen Eindrücke, Gedanken und Gefühle in anderer Form festgehalten werden. Mögliche Ideen sind: das Gestalten eines lyrischen Textes, das Sammeln von sinnlichen Adjektiven, das Schreiben einer Märchengeschichte, die Gestaltung einer Collage aus Naturmaterialien oder das Zeichnen einer Bleistiftskizze. Das alles führt bei den SchülerInnen neben dem spielerischen Zugang zur deutschen Sprache zu einer tieferen Verbindung zu sich selbst und der umgebenden Natur.

Integrieren

Die SchülerInnen werden ermutigt sich in ihrer „Sprache“ auszudrücken, denn schon Freinet erkannte, dass Kinder, die sich selbst ihr Thema, ihre Textsorte, ihr Produkt wählen konnten, im Ausdruck freier, produktiver und natürlicher sind. Auf diese Weise erfahren die Kinder keine Schreibblockade oder die „Angst vor dem weißen Blatt“ – im Gegenteil, sie gelangen zu sprachlichen und künstlerischen Reichtum, sie begegnen sich selbst und ihren MitschülerInnen mit großer Offenheit, sie schaffen Beziehungen, schärfen ihre Wahrnehmung, sie erkennen ihre eigene Wirksamkeit, fördern ihren Tastsinn und ihre Feinmotorik, zentrieren sich und kommen in ihrem Tun zur Ruhe. Die entstandenen Ergebnisse können wiederum ausgestellt, gedruckt, präsentiert, in einer Dichterlesung vorgetragen oder in eine neue Idee bzw. Fragestellung eingebunden werden.

Zum Abschluss des Tages ist es wichtig, dass die LehrerInnen ein kurzes Ende gestalten. Dies kann wiederum ein gemeinsames Lied oder eine Dankesrunde mit einer gemeinsamen Verabschiedung sein. Je älter und efahrener die SchülerInnen werden desto selbstorganisierter erfolgen die Gruppenprozesse. 

Weiterführend...

Einen kurzen Abriß zu Jon Young findet ihr hier: http://www.wildnispaedagogik-ausbildung.de/nathus-757-1/jon_young.html

Der Mensch als Teil der Natur, wie kann ich in tiefere Verbindung mit mir selbst (meiner inneren Natur) und der mich umgebenden Natur (äußere Natur) kommen? 
„Um es in seiner Tiefe zu erfassen, bedarf es eines anderen Weges, als den alleinigen über den Intellekt und Logos. Es braucht ein Erleben, ein Erfühlen und Erfahren mit allen Sinnen. Die Lehrmeisterin und das Klassenzimmer dafür ist die Natur. Wir sind Natur. Wir sind nichts, was davon separiert existiert, Alles ist miteinander verbunden. Teils offensichtlich, teils mutet es magisch an.“